Freitag, 28. Oktober 2016

Alltag...?!



Alltag, ja, ein bisschen fühlt sich das so an. Antonia und ich haben uns super eingelebt und haben unsere Routine gefunden. Wir fühlen uns hier echt wohl und Guilleme ist ein richtiges Zuhause für uns geworden.

Am 05.09. sind die Mädchen gekommen, wobei ziemlich viel Hilfe gebraucht wurde. Antonia war fürs Taschengeld zuständig, ich für den Verkauf der Schuluniform. Und so saßen wir den ganzen Tag in verschiedenen Büros mit anderen jungen Leuten, die auch geholfen haben, und trafen die ersten noch schüchternen Mädchen.
Das änderte sich aber ziemlich schnell: in den Tagen darauf lernten wir mehr und mehr (ziemlich neugierige) Mädels kennen. Auf dem Boarding leben ca. 360 Mädchen aus den Klassen 5-8, die also ungefähr 8-13 Jahre alt sind, manche einzelne auch älter. Unser Haus steht direkt auf dem Boarding, gegenüber der Dorms (Schlafsäle der Mädchen). Deshalb haben wir immer viel zu tun und leben wirklich mitten „im“ Projekt. Fast den ganzen Tag klopfen Mädchen, um sich Spiele, Tesafilm oder Nähnadeln auszuleihen oder einfach nur hallo zu sagen. In den ersten zwei Wochen hat uns das ziemlich überfordert und wir haben gelernt, dass man auch mal nein sagen und sich selber Freiräume schaffen muss. Nach einiger Zeit sind wir mehr und mehr rausgegangen, um mit den Mädels zu spielen und zu quatschen. Wir lernten und lernen immer noch die Mädchen mehr und mehr kennen und ich würde sagen, dass schon echte Freundschaften entstanden sind. Und das ist das wunderschöne hier am Boarding: wir sind nie alleine. Klar, das kann schonmal anstrengend werden, aber so hat man auch gar nicht die Chance, Heimweh zu kriegen, weil immer was los ist.



Ansonsten meistern wir unser malawisches Leben. All die Dinge, die anders sind als in Deutschland, fühlen sich für uns schon total normal an. Da wäre z.B. das Kochen überm Feuer, was ich persönlich viel gemütlicher finde als in der Küche. Häufig sitzen wir noch lange neben unserem kleinen Kohlefeuer bis es dunkel wird und essen draußen in unserem Innenhof auf dem Boden. Unser Essen ist meistens Pfannekuchen, Nsima (Maisbrei) mit Rührei und Tomate, Nudeln, Soyapieces, Reis, Kohl,…
Leaf vegetables mit Tomaten.... mmh!

Wasserholen ist auch eine beliebte (und anstrengende) Beschäftigung für uns. Da wir am gleichen Wassernetz angeschlossen sind wie die Mädchen haben wir nur Wasser, wenn Strom da ist und fast kein Mädchen mehr auf dem Gelände. Dann sind aber wir auch immer in der Schule oder Kirche. Deshalb hatten wir seit die Mädels da sind vielleicht dreimal die Möglichkeit, richtig zu duschen.  Ansonsten ist Eimerdusche angesagt… der nächste Brunnen ist entweder bei den Häusern der Lehrer oder seit neuestem auch auf dem Gelände der Schule. Unterwegs trifft man immer wieder Lehrer oder Mädchen, die in die gleiche Richtung unterwegs sind. Und auf dem Rückweg schaffen wir es inzwischen sogar, den Eimer auf dem Kopf zu tragen – echt malawisch!


Das Wäschewaschen mit der Hand ist für uns kein Problem, die Spülmaschine vermissen wir hier mehr als die Waschmaschine. Und wenn mal wieder Stromausfall ist, sitzen wir abends im Kerzenschein zusammen und reden über unsere Erlebnisse des Tages.
Auch Chichewa fällt uns langsam immer leichter. Sprechen können wir zwar noch nicht so viel und verstehen auch bei weitem noch nicht alles, aber der Smalltalk liegt uns inzwischen ganz gut. Nur eben ein paar Worte mit den Amamas (Frauen, die für die Mädchen zuständig sind) wechseln, im Lehrerzimmer oder auf dem Markt. Wir müssen aber auf jeden Fall noch eine Menge lernen! Die Mädchen versuchen häufig, mit uns zu lernen und wir fangen gerade mit einem Lehrer, der uns auch schon im Einführungsseminar unterrichtet hat, an, uns gegenseitig Deutsch und Chichewa zu unterrichten.


Soviel zu unserem alltäglichen Leben. Nebenbei und an den Wochenenden passiert aber immer noch so viel Neues und nicht alltägliches, dass uns nie langweilig werden kann:

Samstags werden und wurden wir besonders in den ersten Wochen viel von der für uns zuständigen Schwester auf verschiedene Feste mitgenommen. Bei meinem letzten Blogeintrag habe ich einmal das Fest in Ludzi erwähnt, wo einige Schwestern ihr 25- und 50-jähriges Jubiläum feierten. In den Heimatdörfern dieser Schwestern wurde das Fest praktisch nachgeholt und so hatten wir zweimal noch die Gelegenheit, so ein Fest mitzuerleben. Auch auf einer Hochzeitsfeier waren wir mit dabei. Hier tanzen die Gäste in verschiedenen Gruppen (wir gehörten zu den Schwestern :D) nach vorne zum Brautpaar und bewerfen es mit kleinen Geldscheinen. Eine interessante und witzige Tradition! So konnte man sich auch kleine Stückchen der Hochzeitstorte ertanzen und kaufen.
Uns beiden ist aufgefallen, wie anders es ist, wenn nur noch zwei Azungus (Weiße) dabei sind. Wir fallen nicht mehr so auf, sind näher an den Menschen, weil halt nicht mehr vier weitere Deutsche dabei sind, mit denen man sich unterhalten kann. Komfortabler ist es zu 6t, aufregender und überraschender aber auf jeden Fall zu zweit. Auch unser Verhältnis zu den Schwestern, besonders mit unserer Ansprechpartnerin, hat sich geändert. Deshalb ist zu zweit im Projekt auch so perfekt für uns: immer jemand, mit dem man sich direkt über die Erlebnisse austauschen kann, aber nicht so, dass man nur unter sich bleibt.

An fast jedem schulfreien Tag kommen ein paar Mädchen vorbei, um in unserem Innenhof Mandasi zu backen und zu verkaufen. Mandasis sind frittierte, süße Hefebällchen, vielleicht kann man sie ein wenig mit Berlinern vergleichen. Sie schmecken aber viel besser! Manchmal helfen wir ein bisschen mit beim Formen, einmal haben wir auch ein paar mit Zucker und Zimt gefüllt :)
Wir formen Mandasi!

Am 3. Oktober war ja der Tag der deutschen Einheit, und zu diesem Anlass waren wir zu einem Fest in der Residenz des deutschen Botschafters eingeladen! Wir und noch weitere Weltwärtsfreiwillige sollten zu Beginn des Festes ein bisschen an verschiedenen Getränkeständen helfen,  was aber nicht zu ernst gesehen wurde. Alles in allem war es eine richtig geile Party! Und trotzdem war es komisch. Es hat sich kein bisschen so angefühlt, als wären wir in unserem vertrauten Malawi. Es war so deutsch! Ich war besonders am Anfang verwirrt, ob ich die Gäste am Getränkestand jetzt auf Deutsch, Englisch oder doch auf Chichewa ansprechen sollte. In diesem Moment wusste ich gar nicht, wozu ich gehöre. Das waren Antonias und meine Überlegungen zu Beginn der Veranstaltung. Schon nach kurzer Zeit aßen auch wir Schnitzel, Rotkohl, Kartoffelsalat und deutsches Brot und tranken deutsches Bier! Den Tag danach verbrachten wir sechs noch in Lilongwe und sahen uns das erste Mal ein bisschen in der Stadt um, obwohl wir schon das 4. Mal da waren.
Wir und die Ludzi-Girls auf dem recht deutschen Gästeklo des Botschafters - wir waren sehr begeistert! ;-)

Am 15. Oktober, übrigens auch der Muttertag in Malawi, war der Jahrestag von Maguerite D’Youville, einer für den Orden wichtigen Person. Das wurde natürlich gefeiert! Alle Schwestern der Sisters of Charity of Ottawa aus ganz Malawi kamen zum Konvent in Guilleme, außerdem Bedürftige aus dem Dorf, Leute, die den Schwestern nahe stehen und sie in verschiedenster Weise unterstützen und natürlich Antonia und ich.  Hannah und Noemie aus Madisi haben uns für dieses Wochenende besucht und sie waren auch dabei. Die Feier startete mit einer langen Messe, wo ein paar der Mädchen im Chor sangen und tanzten, danach gabs Mittagessen, ein kleines Bühnenprogramm, eine große Torte für alle und dann spielten die Schwestern gegen ein paar der weiblichen Helfer Netball, in Zivil! Ein ziemlich lustiges Spiel und egal, welche Mannschaft einen Korb geworfen hat, wurde es immer richtig gefeiert! Zum Abschied gab es noch ein paar Snacks und dann war auch schon Abend. Ein schöner Tag!
die Mädchen warten vor dem Konvent auf ihren Auftritt im Gottesdienst

Außerdem waren wir an den Wochenenden schon zweimal in Mchinji, die Hauptstadt unseres Distriktes, um einzukaufen und Verena und Friederike aus Ludzi zu treffen.

Wie ihr seht, wird mir einfach nie langweilig hier und es gibt immer viel zu tun!
Wir sind komplett im Alltag drin und es fühlt sich für uns z.B. ganz normal an, überm Feuer zu kochen. Manchmal haben wir das Gefühl, wir sind schon mehr als nur die 10 Wochen hier, als würde es schon ewig so sein. In der nächsten Sekunde fühlt es sich dann aber auf einmal wieder so an, als wäre alles nur ein großer Traum, aus dem wir jeden Moment aufwachen müssten. Es ist so komisch, in Malawi, am anderen Ende der Welt zu sein, während meine Freunde gerade anfangen zu studieren. Und doch haben wir das Gefühl, als gehören wir in diesem Moment genau dort hin, wo wir sind, nach Guilleme!

Ganz liebe Grüße!
Pia :)

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