Freitag, 3. März 2017

Stadt und Land


Bei unserem Zwischenseminar haben wir viel darüber geredet, wie wir Informationen und Erfahrungen zu Malawi mit Deutschland teilen können, ohne dabei zu einseitig zu sein und Vorurteile zu schüren. Malawi ist so ein vielfältiges Land!
Ein anderes Thema beim Zwischenseminar war der Unterschied von der malawischen Stadt und dem malawischen Dorf, da einige von uns ihr Jahr in Großstädten, andere wiederum in winzigen Dörfern verbringen. In dem heutigen Bericht möchte ich auf beide eingehen: auf das mir so gut bekannte Leben im Dorf, aber auch auf malawische Städte.

kuGuilleme

Erzählen möchte ich euch vom wunderschönen Guilleme, das Dorf, das nun schon seit einem halben Jahr mein Zuhause ist und in dem ich mich so wohl fühle.

Guilleme ist sehr sehr klein – das kleinste Dorf von den Dörfern, wo Freiwillige, die ich kenne, leben. Um ins Dorf mit öffentlichen Verkehrsmitteln reinzukommen fährt man zunächst auf der Haupstraße mit einem Minibus bis zum Guilleme Turn-Off (ein eigenständiger Ort), von wo man ein Kabasa (Fahrradtaxi, wo man auf dem Gepäckträger sitzt) zum 10 Minuten entfernten Guilleme nimmt, und zwar über eine Sandstraße.

eine Kuhherde kreuzt unseren Weg zum Markt
Im Dorf selber gibt es drei Schulen: die St. Anne‘s Secondary School, die Boys Boarding Primary School und die Holy Cross Girls Boarding Primary School, wo ich lebe und arbeite. Außerdem eine große katholische Kirche und das St. Michael’s Hospital. Krankenhaus und Mädchenschule werden von den Schwestern, die hier auch leben, geleitet. Und natürlich den Ground (Sportplatz) nicht zu vergessen, wo schon das ein oder andere Net- und Footballspiel stattgefunden hat.
hier spielen die STD 7 Girls in Antonias Lesson Fußball
Als den Dorfmittelpunkt kann man wahrscheinlich den Markt bezeichnen. Hier kriegt man alles für den täglichen Bedarf (aber eben auch nichts darüber hinaus). Auf der einen Seite gibt es mehrere Gemüsestände. Hier finden wir an Glückstagen Tomaten, Kohl, Auberginen und Zwiebeln, manchmal, wenn wir Pech haben, aber auch nur ein paar gammelige Tomaten. Auch Fisch vom Malawisee und Fleisch kann man hier kaufen, da haben wir uns aber noch nicht rangetraut. Werden wir wahrscheinlich auch nie tun :D
Auf der anderen Seite gibt es ein paar Shops. Hier kaufen wir meistens Eier, Zucker, Spaghetti, Mehl und Reis, manchmal auch Fanta. Außerdem Scone / Sikono, das ist ein Gebäck aus Hefe, was irgendwie zu unserem Weißbrotersatz geworden ist (das ist nämlich auch manchmal ausverkauft und schmeckt eh nicht so gut). Auf dem Markt findet man auch ein paar Schneider und außerdem eine Mais-Mühle, an der immer ganz viel los ist, wenn wir Strom haben.
so verlassen liegt der Markt nur selten da... eigentlich ist hier immer sehr viel los!

Sikono!

Apropos Strom: den haben wir natürlich auch nicht immer, genauso wie Wasser. Aber das ist in ganz Malawi zu einem Problem geworden.

Ich hoffe, ihr seid jetzt nicht zu geschockt von der Einfachheit unseres Dorfes. Ich persönlich finde es genau richtig. Die Menschen sind supernett und immer, wenn wir durch die Straßen gehen, rufen uns ein paar Kleinkinder glücklich „Azungu, bo!(hey, Weißer)“ zu, was echt süß, aber auch anstrengend ist. Und wenn es auf dem Markt seit einem Monat mal wieder Zwiebeln gibt oder aus der Dusche fließendes Wasser kommt, so freuen wir uns immer riesig! :)


kuLilongwe

Bisher habe ich noch nicht so viele Erfahrungen mit malawischen Großstädten gemacht. Am meisten kann ich wohl über Lilongwe, die Hauptstadt Malawis, sagen, die wir ca einmal im Monat besuchen, sei es zum Einkaufen oder auf der Durchreise.

Sind wir mit Friederike und Verena aus Ludzi unterwegs geht es für uns meist als allererstes zum KFC, an dem wir eh vorbeikommen. Hier gönnen wir uns erstmal so richtig Fastfood :D der KFC ist jedes Mal sehr voll und wir müssen lange warten. Vergleicht man uns mit den anderen weiblichen Kunden, so sind wir die einzigen, die Chitenje tragen (was im Dorf Standard ist. Wir ziehen nur Röcke an, Hosen eigentlich gar nicht). Viele der Frauen tragen enge Hosen, ich habe sogar schonmal eine mit einem bauchfreien Shirt gesehen.
glücklich mit unserem Burger :)
Eine andere Pflichtstation ist der Shoprite – ein riesiger Supermarkt, in dem es einfach alles zu kaufen gibt! Von Milka-Schokolade und Nutella, über frischen Backwaren und Shampoo bis hin zu Knorr-Tütensuppen und Käse, hier gibt es alles, was das Herz begehrt! Ab und zu haben wir es hier auch schon ein bisschen übertrieben und einen großen Vorrat gekauft, was uns aber doch zu teuer wurde und uns auch in unserem Dorf irgendwie unangenehm ist. Trotzdem fahren wir jedes Mal hin, um uns doch ein paar geile europäische Sachen zu gönnen, die in den Wochen danach gut aufgeteilt werden müssen. (leider habe ich vergessen, ein Foto zu machen) 

Die Straßen sind wie in wahrscheinlich jeder Großstadt ziemlich voll. Am praktischsten ist es dann, ein Tuk-Tuk zu nehmen, was sich durch die vielen Autos und Minibusse durchschlängelt.

Sehenswert sind auch diverse Märkte.
Da wäre zum Beispiel der Chitenje-Markt. In einer großen Markthalle stehen hier dicht an dicht Frauen, die ihre Chitenjen verkaufen wollen. Und die meisten sind hier sogar sehr billig: mit 1500 K nur knapp 2€! Jedoch ist es immer sehr schwierig, sich dann auch für die richtige zu entscheiden… :D

Der große Markt von Lilongwe ist sehr unübersichtlich. Um vom Stadtzentrum dort hin zu gelangen geht man für 30 Kwacha (=4cent) über selbstgebaute Brücken über einen Fluss und schon ist man im bunten Durcheinander, wo es echt alles zu kaufen gibt :) Obst, Gemüse, Gewürze, Chitenjen, Kleidung (Altkleidersammlungen aus aller Welt), fertig gekochtes Essen,….
Kleidungsmarkt

eine kaputte Brücke. Als wir gestern in Lilongwe waren, stand keine einzige mehr. Durch den Regen sind alle kaputt gegangen.

frisches Obst und Gemüse!

Auf dem Holzmarkt findet man ganz viele Holzschnitzereien und andere Souvenirs. Dieser Markt ist jedoch eher für Touristen.

Außerdem gibt es in Lilongwe ein großes Stadium, Villen und mehrstöckige Häuser.

Ich glaube, das wäre jetzt erstmal alles, was mir spontan zu Orten in Lilongwe einfällt. Feiern gehen kann man hier auch ganz gut. Man kann sich in der Stadt ruhig ein wenig freizügiger anziehen und sieht viele Weiße. Ich finde es ab und zu ganz angenehm, in der großen Masse unterzutauchen. Dort falle ich echt nicht so auf. Im Dorf ist das anders. Jeder sieht, was ich mache. Wenn ich irgendwo hingehe, werde ich neugierig gefragt, wo es denn hingeht. Falls es auf den Markt geht, ist es für die Leute auch scheinbar interessant, zu wissen was wir genau kaufen wollen. Manchmal regt uns das ziemlich auf. Man kommt kaum vorwärts und muss jeder Person einzeln erklären, was genau man machen will und was man aus den gekauften Zutaten kochen oder backen will.
Aber eigentlich ist es auch ganz schön. Denn so kommt man ins Gespräch :)

Ich hoffe, ich konnte euch jetzt mal ganz verschiedene Eindrücke von Malawi vermitteln. Dieses Land ist so vielfältig! Und so viel mehr, als das, was ich euch bisher berichtet habe und was ich euch je berichten können werde!

An dieser Stelle möchte ich auf etwas eingehen, über das wir auch beim Zwischenseminar geredet haben und was jetzt gerade so gut passt. Wir haben eine kurze Filmaufzeichnung einer Rede von Chimamanda Adichie gesehen. Chimamanda Adichie ist eine nigerianische Schriftstellerin, die auf die Gefahr einer einzelnen Geschichte, the danger of a single story, hinweist. Sie sagt, dass eine einzige Geschichte Grund für Vorurteile sein kann. Kennt man nur eine kleine Geschichte eines größeren Ganzen, so erfährt man nur wenige Aspekte, viele gar nicht. Dadurch wird unsere Sicht auf die Dinge eingeschränkt; wir urteilen von nur einer Geschichte auf das Ganze.
In meinem Falle bzw. dem Falle meines Blogs urteile ich (oder ihr) von meinen persönlichen Erfahrungen, die ich in dem winzigen Dorf Guilleme mache manchmal auf ganz Malawi, vielleicht sogar auf ganz Afrika.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal hinweisen, dass mein Blog nur persönliche Erfahrungen und Erlebnisse wiederspiegelt und ich keinesfalls für ganz Malawi sprechen kann. Wahrscheinlich kann ich noch nichtmal für das ganze Dorf Guilleme sprechen, in dem ich nun schon seit über sechs Monaten lebe und trotzdem nur an der Oberfläche gekratzt habe. (Erst vor zwei Tagen haben wir mit einigen Mädchen und einer Schwester eine Amama des Boardings besucht, die krank war. Eine halbe Stunde liefen wir durch Felder und Hüttenansammlungen und waren doch immer noch in Guilleme)

Ich möchte euch, liebe Leser und Leserinnen meines Blogs, dazu aufforden, über meine Geschichten und Erzählungen nachzudenken und vorsichtig dabei zu sein, sie als „typisch Afrika“ anzusehen.

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, diesen Bericht zu lesen. Das lag und liegt mir wirklich sehr auf dem Herzen!

Eure Pia :)